Der Zimt Blaugenicksperlingspapagei       Forpus coelestis

 

Von Dirk Van den Abeele                   Übersetzt von Peter Frenger (7998)

MUTAVI, Research & Advice Group

 

Kürzlich nahm Kurt Delsoir Kontakt mit uns (MUTAVI) auf im Zusammenhang mit einer außergewöhnlichen Farbschattierung beim Blaugenicksperlingspapagei. Kurt und sein Freund Derie Christ züchteten diese außergewöhnliche Farbe bereits in der dritten Generation. Sie taten dies, um sicher zu gehen, dass es sich hierbei nicht um eine zufällige Farbabweichung sondern tatsächlich um eine Mutation handelt.

Im Vorfeld wurden mehrere Züchter befragt, jedoch hatte keiner von ihren zuvor diesen Farbschlag beim Blaugenicksperlingspapagei gesehen. Ihre berechtigte Frage war deshalb, was dies denn nun wirklich sei. Wir werden die einzelnen Schritte der Mutationsidentifikation durchspielen, jedoch zuerst werden wir die Wildform beschreiben.

 

Die Wildform

Beschreibung der Spezies Forpus coelestis

Länge: 12,5 cm

Männchen: Das Gefieder ist generell matt grün, jedoch leuchtender und mehr gelblich auf der Vorderseite, an den Wangen und der Kehle. Über dem Auge beginnt ein mehr oder weniger ausgeprägter blauer Streifen, der sich bis hinter das Auge erstreckt.

Hinterkopf und Nacken sind bläulich grau. Der Rücken und die kleinen Flügeldeckfedern haben einen stark grauen Anflug. Die Deckfedern der Schwingen und die kleinen Schwungfedern sind tief kobaltblau. Die Spitzen der Schwungfedern sind mehr grünlich blau. Unterrücken und Bürzel sind tief kobaltblau. Der Schwanz ist matt grün und wird zur Spitze hin heller grün.

Brust und Unterbauch sind grün mit grauem Anflug, besonders die seitlichen Brustpartien und die Flanken sind stark grau durchsetzt. Der Schnabel ist hornfarbig, die Augen braun, die Beine bräunlich und die Krallen grau.

Weibchen: Alle blauen Gefiederteile sind grün außer einem schwach blauen Streifen hinter dem Auge. Das Bürzelgefieder ist mehr oder weniger türkisblau. Der Rücken und die kleinen Flügeldeckfedern sind weniger grau durchsetzt. Vorderseite, Stirn, Wangen und Kehle sind schwach gelblich überhaucht.

 

Die Fakten:

 

Verpaarung # 1:

Vor zwei Jahren züchtete Kurt aus einen völlig blutsfremden Paar Blau X Grün/blau (Die Vögel wurden bei einem Händler gekauft und waren mit Ringen zweier verschiedener Züchter beringt) folgende Nachzucht:

Grün (Männchen und Weibchen)

Blau (Männchen und Weibchen)

Grüne Vögel mit einer total anderen Farbe (alles Weibchen)

Forpus coelestis (Blaugenicksperlingspapagei) zimtgrün
Forpus coelestis (Blaugenicksperlingspapagei) zimtgrün

Verglichen mit den wildfarbigen Weibchen waren diese Vögel anders gefärbt, eher wie senfgrün, die Schwungfedern waren bräunlich, die Krallen heller und die Augen waren nicht so schwarz gefärbt wie die der Wildfarbe. Eindeutig war, so der Züchter, dass diese Vögel mit roten Augen geboren wurden, die nach ein paar Tagen nachdunkelten. In drei Bruten schlüpften drei dieser andersfarbigen Jungvögel, in jeder Brut ein grünes Weibchen die, sagen wir mal, den “X-Faktor” zeigte.

 

Erkenntnisse aus der Verpaarung # 1:

●       Die Vererbung dieser neuen Mutation kann nicht dominant sein, denn dann hätte einer der Eltern bereits diesen Faktor zeigen müssen. Dennoch besteht immer noch die Möglichkeit, dass eine neue dominante Mutation entstanden ist, aber die Wahrscheinlichkeit, dass dies in mehreren Bruten jedes Mal geschieht ist sehr unwahrscheinlich.

●       Es könnte auch eine autosomal rezessive Mutation sein, in diesem Fall müssten beide Elternteile spalterbig sein. Das könnte man verstehen, bei Vögeln des gleichen Züchters, aber dies war nicht der Fall. Die Wahrscheinlichkeit, dass diese Vögel rein zufällig zusammengesetzt worden sind ist eher gering, aber sie ist möglich.

●       Die Tatsache, dass die abweichend gefärbten Jungen ausschließlich Weibchen waren kann als geschlechtsgebundene Mutation interpretiert werden. In diesem Fall müsste das ursprüngliche Männchen spalterbig in “Faktor X” sein und theoretisch müsste in 25% der Fälle ein Weibchen schlüpfen, das den “X-Faktor” zeigt. Diese Theorie wird bekräftigt, wenn man sich die gesamte Nachzucht anschaut: 3 Mutationsvögel, alle Weibchen von 11 Jungen.

Forpus coelestis (Blaugenicksperlingspapageien) links wildfarbig,   rechts zimtgrün
Forpus coelestis (Blaugenicksperlingspapageien) links wildfarbig, rechts zimtgrün

Verpaarung # 2:

Weil bei Blaugenicksperlingspapageien eine “Faded”-Mutation besteht, die auch mit roten Augen geboren wird, wurde das älteste Weibchen mit einem “Faded”-Männchen verpaart. Der Faded vererbt autosomal rezessiv und wird manchmal fälschlicher Weise als “Isabell” * oder “Pallid” ** bezeichnet. Das Ergebnis war überraschend: Alle drei Jungen aus dieser Verpaarung waren wildfarbig und keiner von ihnen zeigte den “X-Faktor”.

 

* ”Isabell” ist eine Bezeichnung die für eine geschlechtsgebundene Mutation bei Kanarien gebräuchlich ist. Das Problem ist, dass man diese Bezeichnung (unwissentlich) für alle möglichen Farben gebraucht hat: Wenn jemand nicht wusste welche Farbe es tatsächlich war, nannte man sie einfach “Isabell”.

 

●       So wurde bei Agapornis roseicollis die Bezeichnung “Isabell” für ein Alleel des geschlechtsgebundenen Ino Genortes gebraucht, die sich später als `Pallid´ herausstellte.

●       Bei Agapornis nigrigenis wurde die Bezeichnung “Isabell” für eine co-dominante Mutation gebraucht, die sich dann als `Misty´ herausstellte.

●       Bei Halsbandsittichen war “Isabell” gebräuchlich für die geschlechtsgebundene Zimt- Mutation.

●       Bei Forpus coelestis wurde die Bezeichnung “Isabell” ebenfalls fälschlicher Weise gebraucht. Hierbei für eine autosomal rezessive Mutation.

 

Und es gibt unzählige weitere Bespiele, in denen “Isabell” für eine völlig andere Mutationen gebraucht wurde.

 

** "Pallid": Um die Bezeichnung `Pallid´ zu verstehen ist hier der falsche Zeitpunkt, weil Pallid, wie bereits erwähnt wurde, für ein Alleel des geschlechtsgebundenen Ino Genortes steht.

Weil diese Mutation bei Agapornis zuerst auch fälschlicher Weise als “Isabell” bezeichnet und richtiger Weise in `Pallid´ umbenannt wurde, dachten die Blaugenicksperlingspapageien-Züchter, dass ihre “Isabell” - Vögel auch `Pallid´ seien, was jedoch falsch war, denn die Mutation, die man bei Forpus coelestis “Isabell” nannte vererbt autosomal rezessiv. Hieran sieht man, dass der Gebrauch einer falschen Bezeichnung weitreichende Konsequenzen haben kann.

 

Erkenntnisse aus der Verpaarung # 2:

●       Diese Kombination beweist eindrücklich, dass wir es mit zwei total verschiedenen Mutationen zu tun haben und dass die neue Mutation nichts mit `Faded´ zu tun hat.

Forpus coelestis (Blaugenicksperlingspapagei) zimtblau
Forpus coelestis (Blaugenicksperlingspapagei) zimtblau

Verpaarung # 3:

Die folgende Verpaarung wurde angesetzt: Das ursprüngliche Weibchen (Grün/blau) wurde einem ihrer normalgefärbten, blauen Söhne verpaart. Keiner dieser Vögel zeigte “Faktor X”. Diese Vögel erzüchteten in drei Bruten zwölf Junge.

Die Nachzuchten waren:

Falbe grün (Männchen und Weibchen)

Falbe blau (Männchen und Weibchen)

Grün (Männchen und Weibchen)

Blau (Männchen und Weibchen)

3 blaue Junge, die Faktor X zeigten (alles Weibchen)

 

Die blauen Vögel mit Faktor X haben im Vergleich zu den normalen blauen, braune Schwungfedern, die Flügeldeckfedern haben eine bräunliche Farbe, die Krallen sind heller und sie schlüpften mit roten Augen, die nach ein paar Tagen dunkel wurden.

 

Erkenntnisse aus der Verpaarung # 3:

●       Die Erkenntnis, die hier aufgeschrieben werden kann ist, dass das ursprüngliche Weibchen spalterbig in Falbe war und dass sie diese Eigenschaft auf ihren Sohn übertragen hat. Die Tatsache, dass diese beiden Vögel verpaart wurden enthüllte die Anwesenheit dieses autosomal rezessiven Faktors.

●       Die Anwesenheit der 3 anders gefärbten Weibchen deutet darauf hin, dass sowohl die Mutter als auch der Sohn spalterbig in diesem Faktor sind und dass es sich hier um einen autosomal rezessiven Faktor handelt.

●       Die Tatsache, dass ausschließlich Weibchen aus dieser Nachzucht den “Faktor X” tragen lässt es jedoch wahrscheinlicher erscheinen, dass diese Mutation geschlechtsgebunden vererbt. Wenn nur ein Männchen unter diesen Jungtieren gewesen wäre, hätte man definitiv die geschlechtsgebunden rezessive Vererbung ausschließen können. Zum jetzigen Zeitpunkt ist das jedoch nicht möglich.

●       Wenn es sich um eine geschlechtsgebunden rezessive Mutation handelt, dann muss das Männchen spalterbig in dieser Mutation sein und es müssten theoretisch - wie in Verpaarung # 1 - 25% den Nachzuchten diesen Faktor zeigen und weiblich sein.

●       Diese Konstellation schließt definitiv die Möglichkeit einer dominanten Vererbung aus.

 

Verpaarung # 4:

Nun wurde der ursprüngliche Vater (Blau) mit einer seinen Töchter (Grün/blau) verpaart, die den “X-Faktor” zeigt. Dieses Paar zog drei Jungtiere in einer Brut auf: Alles blaue Vögel die den “X-Faktor” zeigen (diesmal alles Männchen).

 

Diese 4 verschiedenen Verpaarungen verschafften uns etwas Klarheit hinsichtlich der Vererbung.

 

Erkenntnisse aus der Verpaarung # 4:

●       Eine sichere Erkenntnis ist, dass das ursprüngliche Männchen spalterbig in “Faktor X” sein muss. Die Tatsache, dass dieses spalterbige Männchen mit seiner `anders gefärbten´ Tochter verpaart wurde, kann die Nachzucht der drei (Mutations-) Männchen erklären.

●       Dennoch, diese Ergebnisse schließen nicht aus, dass es sich um eine geschlechtsgebundene Mutation handelt. Nämlich in dem Fall, wenn das Männchen spalterbig in “Faktor X”, aus der Verpaarung mit einem Mutations-Weibchen, Männchen und Weibchen hervorbringt, die den “X-Faktor” zeigen.

Forpus coelestis (Blaugenicksperlingspapageien) links zimtblau,   rechts blau
Forpus coelestis (Blaugenicksperlingspapageien) links zimtblau, rechts blau

Verpaarung # 5:

Als letzter Test wurde im November 2004 ein Männchen der Mutation “X” mit einem völlig fremden wildfarbigen Weibchen verpaart. Aus einem Gelege von 7 Eiern schlüpften Anfang 2005 6 Küken: 4 von ihnen mit roten Augen, die nach ein paar Tagen dunkel wurden. Nachdem die 4 Küken völlig befiedert waren zeigten alle den “Faktor X” und alle waren Weibchen.

 

Erkenntnisse aus der Verpaarung#5:

●       Dieses Ergebnis schließt einen autosomal rezessiven Erbgang aus. Mit der Tatsache, dass es sich bei den anders gefärbten Jungtieren wieder ausschließlich um Weibchen gehandelt hat, kann diese Mutation als geschlechtsgebunden interpretiert werden.

 

Zusammengefasste Erkenntnisse:

●    Es handelt sich mit Sicherheit um eine Mutation.

●    Alles deutet auf eine geschlechtsgebunden rezessive Vererbung hin.

●    Jegliche Verbindung zu `Faded´ steht außer Frage.

●    Die Jungtiere schlüpfen mit roten Augen, die nach ein paar Tagen dunkel werden. Das bedeutet, dass wir es mit einer Art Albinismus zu tun haben. Dieses Phänomen gibt es bei den Mutationen: Faded (bereits ausgeschlossen), Zimt, Pallid uns bei einer geschlechtsgebunden co-dominanten Mutation des Katharinasittichs (ebenfalls bereits ausgeschlossen).

 

●    Zimt und Pallid vererben beide geschlechtsgebunden rezessiv; Siehe auch bei Verpaarung 1,3,4 und 5. Mutation “X” kann nur eine dieser beiden sein. Das Melanin der Mutation Pallid Grün zeigt gräuliche Spuren. Die bräunlichen Schwungfedern und der besondere bräunlich grüne Überhauch am Körper im vorliegenden Fall verweisen deutlich in Richtung Zimt. (Die Bezeichnung Zimt ist gebräuchlich für die geschlechtsgebunden rezessive Mutation, die anstatt schwarzen Melaninen zimt-braune Melanine in das Gefieder einlagert. Die Augenfarbe ist beim Schlupf rot und wird mit zunehmendem Alter fast schwarz. Die Farbe der Beine und Zehnen ist fleischfarbig Rosa. Das Gen dekodiert möglicherweise zu einem zweiten Tyrosinase Related Protein, wirkt in den Melanozyten während eines frühen Schrittes in der Melaninsynthese und besitzt die Fähigkeit, sich nach dem Crossing-Over mit dem geschlechtsgebundenen Ino, zu entfalten. Diese “Kombinationen” sollten grundsätzlich als Zimt-Ino bezeichnet werden. Eine Ausnahme gibt es von dieser Regel: Beim Wellensittich wird diese Kombination “Lacewing” genannt, weil nur bei dieser Spezies sein auffallendes Erscheinungsbild diesen Namen zulässt.)

 

In Anlehnung an diese Erkenntnisse können wir behaupten, dass dies die erste bekannte geschlechtsgebundene Mutation beim Blaugenicksperlingspapagei ist. Es ist die Mutation Zimt.

Dirk Van den Abeele

http://www.agapornis.be

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