Besonderheiten:
Ein Züchter setzt sich folgendes Zuchtziel: Er möchte ein Zimt-Ino (Lacewing) Nymphensittich züchten. Dazu nimmt er folgende Verpaarungen vor:
F1
1,0 Zimt X 0,1 Lutino
50% 1,0 Wildfarbig/zimt+lutino
50% 0,1 Zimt
F2
1,0 Wildfarbig/zimt+ino X 0,1 Lutino
25% 1,0 Wildfarbig/zimt+lutino
25% 1,0 Lutino
25% 0,1 Zimt
25% 0,1 Lutino
1,0 Wildfarbig/zimt+Lutino X 0,1 Zimt
25% 1,0 Wildfarbig/zimt+lutino
25% 1,0 Zimt
25% 0,1 Zimt
25% 0,1 Lutino
Unter Umständen kann er Jahrelang mit diesen oder ähnlichen Verpaarungen weiterzüchten ohne zum eigentlichen Ziel, dem Zimt-Ino zu gelangen, denn logisch gedacht müsste eine der beiden letzten Verpaarungen 12,5% der erwünschten Zimt-Inos zum Ergebnis haben. Der Grund warum dies nicht so ist soll im folgenden Abschnitt erläutert werden.
Verpaart man zwei verschiedene geschlechtsgebunden vererbende Mutationen miteinander muss man davon ausgehen, dass beide Gene, die mutiert sind, auf dem gleichen Chromosom aber an verschiedenen Stellen liegen. Holen wir uns noch einmal ins Gedächtnis zurück, dass bei der Befruchtung je ein Chromosom vom Männchen und vom Weibchen kommt. Das männliche X - Chromosom trägt z. B. das mutierte Gen für die Farbe Zimt an einer bestimmten Stelle. Die Stelle an der das Gen für die Farbe Lutino sitzt ist beim Männchen nicht mutiert. Genau umgekehrt verhält es sich bei dem X - Chromosom, das vom Weibchen kommt. Hier ist der Platz für die Erbanlage Zimt unverändert aber das Gen für die Farbe Lutino ist mutiert. Die beiden Chromosomen, des Chromosomenpaares geben also die unterschiedlichen Genveränderungen unabhängig voneinander weiter. Man spricht vom "Kopplung", wenn auf einem Chromosom zwei Gene mutiert sind und diese Genveränderungen nur als Ganzes (gekoppelt) weitervererbt wird. Es ist also so, dass es normalerweise, kein Chromosom geben wird, das beide Genveränderungen, die für Zimt und die für Lutino, auf sich beherbergt. Um aber eine Kombination der beiden Mutationen zu erhalten, müssen beide Erbanlagen zunächst auf einem Chromosom vereinigt werden. Zu ganz geringen Prozentsätzen werden aber tatsächlich auch aus den oben angeführten Verpaarungen der F 2 Generation Zimt-Inos gezüchtet. Hierfür ist ein besonderer Mechanismus, das "Crossing-Over" verantwortlich.
Was ist "Crossing-Over"?
Mann muss sich zuerst einmal vorstellen, dass sich die beiden Chromosomen eines Chromosomenpaares im Zellkern in jeweils sehr langen Ketten wie ein zerzaustes Wollknäuel wild umschlingen. Bei der Geschlechtszellenbildung ziehen sich die beiden Chromosomen zusammen und verkürzen sich dadurch, um sich an einer bestimmten Stelle im Zellkern anzuordnen und je eins in die Geschlechtszelle zu gelangen. Während sich die Chromosomen jedoch wild umschlingen kann es vorkommen dass beide an der gleichen Stelle auseinanderbrechen und über kreuz wieder zusammenwachen.
In unserem Fall muss sich im oberen Bereich des "blauen" Chromosoms das mutierte Gen für Zimt befinden und im unteren Bereich des "roten" Chromosoms das mutierte Gen für Lutino. Zerbrechen die Chromosomen also zwischen den beiden Orten an denen sich die Gene für Zimt und Lutino befinden und wachen vertauscht wieder zusammen, sind plötzlich beide mutierten Gene auf dem gleichen Chromosom. In der Regel wird nun diese Konstellation als ein Ganzes weitervererbt, es sei denn die beiden Gene werden durch Crossing - over wieder getrennt.
Die Wahrscheinlichkeit für ein Crossing-over beträgt übrigens bei Zimt und Ino etwa 3%.
Die obigen Verpaarungsergebnisse noch einmal, jedoch mit dem Unterschied das bei den Hähnen bedingt durch Crossing-over die Anlagen für Zimt und Lutino gekoppelt (unterstrichen), also als Eins weitervererbt wird:
F2
1,0 Wildfarbig/zimt-lutino X 0,1 Lutino
25% 1,0 Wildfarbig/Lutino
25% 1,0 Lutino/zimt
25% 0,1 Wildfarbig
25% 0,1 Zimt-Lutino
1,0 Wildfarbig/zimt-lutino X 0,1 Zimt
25% 1,0 Wildfarbig/zimt
25% 1,0 Zimt/Lutino
25% 0,1 Wildfarbig
25% 0,1 Zimt-Lutino
Ähnlich verhält es sich bei der Verpaarung von Dunkelfaktor (Dunkelgrün - Oliv) mit Blau. Auch hier sitzen beide Genveränderungen auf dem gleichen Chromosomenpaar auch wenn der Dunkelfaktor dominant intermediär und Blau frei rezessiv vererbt. Sie können nur durch Crossing - over gekoppelt weitervererbt werden. Man unterscheidet hierbei zwei Typen von Dunkelgrün/blau: Den Typ I, der beide Mutationen getrennt weitervererbt, und den Typ II, der die beiden Mutationen gekoppelt weitervererbt.