Die erste Mutation beim Grauköpfchen Agapornis canus
Von Dirk van den Abeele Übersetzt von Peter Frenger (7998) |
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Vor einigen Wochen lenkte einer unserer BVA-Zuchtrichter meine Aufmerksamkeit auf ein Angebot in einer unserer belgischen Vogelzeitschriften. Jemand bot „Farbmutationen des Grauköpfchens“ an. Ziemlich eigenartig, weil bis zu diesem Tag keine Mutationen des Grauköpfchens bekannt waren.
Ich wusste, dass in der Vergangenheit ein Foto eines „gelben“ Canus veröffentlicht worden war. Dieser Vogel war als Jungtier grün und das gelbe Gefieder entwickelte sich erst nach ein paar Jahren. Diese Tatsache deutete mit hoher Wahrscheinlichkeit auf eine Modifikation hin. Ein weiterer Beweis hierfür ist das keine gleich gefärbte Nachzucht, bzw. überhaupt keine Nachzucht aus diesem Vogel erzielt wurde. Der Vogel wurde wieder vergessen.
Die Vögel saßen bei Bilzen, weshalb ich unseren BVA-Mitarbeiter Vorort informierte. Er hatte diese Anzeige ebenfalls gelesen, und es wurde vereinbart, mit dem Züchter Kontakt aufzunehmen um eine vorläufige Untersuchung durchzuführen.
Schon kurz darauf erhielt ich die ersten Informationen und ein paar Fotos. Auf diesen Fotos war ein Grauköpfchen zu sehen, dass etwas heller war und auf den ersten Blick bräunlich graue Schwungfedern hatte. Mehrere Vögel waren bereits nachgezüchtet worden und ausschließlich Weibchen zeigten diese abweichende Farbe. Der erste Gedanke war es könnte Zimt sein.
Ein weiteres Treffen wurde bei dem Züchter, Herrn Georges Vangronsveld, vereinbart. Wir besuchten ihn am Montag, dem 12. Dezember 2005 und ich erhielt die Möglichkeit, die Vögel selber zu sehen. Georges züchtete schon seit mehreren Jahren kleinere Sittiche, wobei er sich nicht die einfachsten aussuchte. Neben Grauköpfchen (Agapornis canus) züchtete er auch Bergpapageien (A. taranta), Erdbeerköpfchen (A. lilianae), Roberts-Zitronensittiche (Bolborynchus aurifrons robertsi), Aymarasittiche (B. aymara), Andensittiche (B. orbygnesius) und Grünbürzelsperlingspapageien (Forpus passerinus).
Die abweichend gefärbten Vögel waren tatsächlich heller als die wildfarbigen. Man konnte eine quantitative Melaninreduktion in den Flügeldeckfedern, den Schwungfedern und im gesamten übrigen Gefieder erkennen. Die Füße und Krallen waren etwas heller und die Augenfarbe schien die gleiche zu sein, wie die bei der Wildform. Die Schwungfedern waren gräulich, und mit Sicherheit nicht braun. Herr Georges Vangronsveld hatte bereits mehrere Weibchen dieser Farbe gezüchtet.
Alles begann mit einigen Grauköpfchen der Unterart Agapornis canus ablectaneus die er im Jahre 2003 erworben hatte. Diese Vögel waren Direktimporte aus Madagaskar. Es dauerte einige Zeit, die Vögel zu akklimatisieren und nach ein paar Monaten hatten sich einige wenige Paare gefunden. Mit einem dieser Paare ging alles erstaunlich schnell und das erste Gelege erbrachte fünf Jungtiere, vier Weibchen und ein Männchen. Zwei dieser Weibchen hatten eine hellgrüne Farbe, die beiden anderen das normale, dunklere grüne Aussehen. Georges vermutete, das die hellere Farbe nach der Jugendmauser verschwinden würde und schenkte ihr keine weitere Aufmerksamkeit. Jedoch ein paar Monate später schlüpften in der zweiten Brut erneut drei anders gefärbte Weibchen, und die ersten beiden hatten ihre helle Farbe behalten. Scheinbar hatte sich tatsächlich etwas verändert. Die anders gefärbten Vögel wurden einzeln untergebracht und sorgsam beobachtet. Verschiedene andere Züchter wurden befragt, jedoch niemand wagte eine genaue Aussage. Möglicher Weise “Zimt” wurde vorsichtig vermutet. Eine dritte Brut erbrachte wieder vier Weibchen von denen wiederum zwei heller gefärbt waren.
Mittlerweile wurden zwei Weibchen mit unverwandten Männchen verpaart, von denen ein Paar ein Jungtier aufzog: Ein wildfarbiges Männchen.
Aus diesen Resultaten kann man folgendes zusammenfassen:
Ausgangspaar:
Wildfarbe X Wildfarbe:
1 wildfarbiges Männchen
2 wildfarbige Weibchen
2 Weibchen mit Faktor `x`
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Eine dominante Mutation kann ausgeschlossen werden, weil keiner der Elterntiere diesen Faktor ´x´ erkennen lässt. Es sei denn es handelt sich um eine spontan auftretende Mutation, aber bei dieser Möglichkeit gleich zwei Vögel dieser Mutation in einer Brut zu züchten ist sehr sehr gering, um nicht zu sagen unmöglich.
Zweite Brut mit dem gleichen Paar:
1 wildfarbiges Männchen
3 Weibchen mit Faktor `x`
Dritte Brut:
2 wildfarbige Weibchen
2 Weibchen mit Faktor `x`
Nun gab es nur noch zwei Möglichkeiten
Die Mutation vererbt autosomal rezessiv, was bedeuten würde, dass beide Elternteile spalterbig sind. Dies wäre eine Möglichkeit, wobei zu beachten ist, dass beide Vögel importierte Spezies sind, die in der Wildbahn im gleichen Gebiet gefangen wurden.
Eine zweite Möglichkeit ist, dass es sich um eine geschlechtsgebunden rezessive Mutation handelt, was bedeuten würde, dass nur das Männchen spalterbig ist und nur Weibchen den Faktor ´x´ tragen können. (Spalt in geschlechtsgebunden ´x´ X wildfarbig bringt folgende Nachzuchten hervor: 25% wildfarbige Männchen nicht spalterbig in ´x´, 25% spalterbige Männchen spalterbig in ´x´, 25% wildfarbige Weibchen und 25% Weibchen mit sichtbarem Faktor ´x´).
Die letzte Verpaarung: wildfarbig X sichtbarer ´x´-Faktor ergab nur ein Männchen.
Wie gesagt: Es könnte eine autosomal rezessive Mutation sein, obwohl die Möglichkeit, dass es sich um eine geschlechtsgebunden rezessive Mutation handelt mathematisch wahrscheinlicher erscheint. Letztendlich kann dies nur bewiesen werden, wenn ein Männchen mit Faktor ´x´ mit einem unverwandten wildfarbigen Weibchen verpaart wird und alle weiblichen Nachkommen aus dieser Verpaarung auch Faktor ´x´ zeigen.
Sollte sich diese Mutation tatsächlich als geschlechtsgebunden rezessiv erweisen, dann handelt es sich wahrscheinlich eher um eine Pallid-Mutation, jedoch nicht um eine Zimt-Mutation, wegen der grauen Schwungfedern.
Was ist Pallid?
Das Pallid-Gen ist ein Allel des geschlechtsgebundenen ino, SL-ino-Gens und bewirkt eine Melaninreduktion von etwa 50%. Beim SL-ino sind fast alle Melaninkörnchen völlig deformiert, bei Pallid geschieht dies jedoch nur bei 50% dieser Körnchen. Vögel, die überwiegend grün gefärbt sind werden dann gelblich grün bis hellgrün. Diese Vögel schlüpfen mit roten Augen die nach ein paar Tagen dunkel werden. Dies konnte Georges noch nicht feststellen, weil seine importierten Vögel sehr empfindlich gegen Nestkontrollen sind, die er nur sehr selten durchgeführt hat.
Die Pallid-Mutation ist von verschiedenen Spezies bekannt: Rosenköpfchen, Wellensittich, Singsittich, Halsbandsittich……. Viele Namen wurden in Abhängigkeit zur einzelnen Spezies für diese Mutation vergeben. Bei Rosenköpfchen war die Bezeichnung „Isabell“ (in den Niederlanden und Belgien) gebräuchlich und manchmal (u. A. in Deutschland) beharrt man immer noch auf der Bezeichnung „Australisch Zimt“; Beim Wellensittich ist der Name „Texas Clearbody“ gebräuchlich. Von Australien wurde versucht den Namen „Lime“ einzuführen, der jedoch nur bei Vögeln der Grünreihe gebraucht werden kann.
Die Bezeichnung Pallid hat sich bereits international durchgesetzt. Sie ist bereits seit längerem in wissenschaftlichen Veröffentlichungen gebräuchlich um diese Mutationsform zu beschreiben.
Einige Verpaarungsmöglichkeiten: (Die Männchen werden immer zuerst genannt.)
Pallid grün X Grün
50% 1,0 Grün/pallid
50% 0,1 Pallid grün
Grün X Pallid grün
50% 1,0 Grün/pallid
50% 0,1 Grün
Grün/pallid X Grün
25% 1,0 Grün
25% 1,0 Grün/pallid
25% 0,1 Grün
25% 0,1 Pallid grün
Grün/pallid X Pallid grün
25% 1,0 Grün/pallid
25% 1,0 Pallid grün
25% 0,1 Grün
25% 0,1 Pallid grün
Pallid grün X Pallid grün
100% 1,0 + 0,1 Pallid grün
Es sei noch einmal betont, dass Weibchen niemals spalterbig in einer geschlechtsgebunden rezessiven Mutation sein können.
Die letzte Möglichkeit zu beweisen, dass es sich hier um eine Pallid-Mutation handelt, ist sie mit einer geschlechtsgebundenen Ino-Mutation zu verpaaren. Leider ist dies zurzeit unmöglich, weil „pallid“ die bisher einzige Mutation beim Grauköpfchen ist.
Pallid X Lutino würde, wie bei anderen multiplen Allelen auch, eine Zwischenfarbe, den PallidIno, ergeben. PallidIno grün hat eine bedeutend hellere (mehr gelblichere) Körperfarbe als ein Pallid und die Schwungfedern sind deutlich heller grau.
Weil die Mutation einen Namen benötigt schlage ich vorläufig den Gebrauch von „pallid“ vor. Den Namen einfach zwischen Anführungszeichen zu setzen bedeutet, dass die Bezeichnung noch nicht 100%ig bestätigt und definiert ist. Federuntersuchungen werden vorgenommen werden müssen und künftige Verpaarungsergebnisse werden die Zweifel, die zurzeit noch bestehen, ausräumen.
Wahrscheinlich wird dem Geschichtsbuch der Agapornisfarbmutationen eine neue Seite hinzugefügt werden können und unser Dank und unsere Glückwünsche gehen an Georges, dem wir weiterhin viel Glück bei seinen zukünftigen Zuchtergebnissen wünschen.
Dirk Van den Abeele
MUTAVI, Research & Advice Group
www.agapornis.info
Hier können Sie den Bericht als PDF-Datei herunterladen: